zur Startseite zur Hauptnavigation zum Hauptinhalt zum Kontaktformular
Landwirtschaftliches Zentrum Liebegg
Landwirtschaftliches Zentrum Liebegg
Zurück

Phytotherapie – Interview mit Sarah Haas

Phytotherapie für Pferde – heilen mit Pflanzenkraft

Phytotherapie ist die Wissenschaft der Pflanzenheilkunde. Die Anwendungsmöglichkeiten von Heilpflanzen sind äusserst vielfältig. Sarah Haas, dipl. Tiertherapeutin, Tierkinesiologin und Osteopathin für Pferde setzt in ihrem Berufsalltag regelmässig Heilpflanzen ein. Im Interview gewährt sie Einblick in ihre Arbeit und die Welt der Pflanzenheilkunde.

Wie funktioniert die Phytotherapie?

Sarah Haas: In der Phytomedizin arbeiten wir nicht mit isolierten chemischen Wirkstoffen, die gezielt Symptome bekämpfen. Stattdessen setzen wir auf die natürlichen Wirkstoffe der Heilpflanzen, um den Körper in seiner Selbstheilung zu unterstützen. Dafür braucht es eine genaue Beobachtung und Beurteilung des Tieres. Es geht nicht darum, gegen etwas zu kämpfen, sondern den Körper für etwas zu stärken. Die Kunst liegt darin, die richtigen Wirkstoffe aus der Pflanze zu gewinnen und sie gezielt einzusetzen.

Wie bist du zur Phytotherapie gekommen?

Meine Faszination für Pflanzen begleitet mich schon mein ganzes Leben. Während der Schwangerschaft mit meiner ersten Tochter Lani habe ich wegen starken Bauchkrämpfen nach pflanzlicher Unterstützung gesucht. Danach habe ich dann angefangen, gezielt Heilpflanzen im eigenen Garten anzupflanzen. Während meiner Ausbildung als Tierkinesiologin und Tiertherapeutin, bei der Phytotherapie auch ein Teil davon war, konnte ich mich in die Materie vertiefen.

Wie gehst du vor, um die passenden Heilpflanzen auszusuchen? Wie verabreichst du diese?

Ich habe ein gutes Gespür für Tiere und Pflanzen. Ich spüre oft intuitiv, welche Pflanze gerade am besten passt. Dabei hilft mir auch mein Wissen über das Wesen der Pflanze. Es gibt "feine" und "raue" Pflanzen, genau wie es sensible und robuste Pferde gibt – ähnlich wie in der Homöopathie. Ich beobachte das Pferd sehr genau und versuche, die Ursache der Symptome zu verstehen. Dann wähle ich die Pflanze aus, die den Körper am besten dabei unterstützt, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Selber arbeite ich gerne mit Einzelpflanzen, weil ich dann sehr gezielt behandeln kann. Bei typischen Symptomen wie bspw. Husten verwende ich jedoch auch gerne Mischungen, die ich an meine Kunden abgeben kann.

Meine bevorzugte Verabreichungsform sind Tinkturen. Das hat einen einfachen Grund: Tinkturen sind lange haltbar, brauchen wenig Platz und schon wenige Tropfen am Tag reichen. Getrocknete Kräuter verlieren schnell an Wirkung und ich bräuchte ein riesiges Lager, um möglichst viele Pflanzen einsetzen zu können.

Welchen Erkrankungen begegnest du in deinen Behandlungen am häufigsten?

Atemwegserkrankungen waren im vergangenen Winter ein riesiges Thema. Gerade bei beginnendem Husten kann man mit der richtigen Pflanzenkombination viel bewirken. Wichtig ist, den Husten genau zu beobachten: Ist er trocken oder verschleimt? Wird er bei Bewegung besser oder schlimmer? Dann kann man gezielt beruhigende oder schleimlösende Pflanzen einsetzen. Auch Verdauungsprobleme wie Blähungen oder Kotwasser, besonders nach Futterumstellungen, sehe ich häufig.

Welche Pflanzen setzt du häufig ein?

Ich arbeite mit vielen verschiedenen Pflanzen. Im letzten Jahr habe ich sehr viel Melisse gebraucht, weil viele Pferde nervlich angeschlagen waren. Ich vermute einen Proteinmangel im Heu als Ursache. Viele Pferde waren hungrig, haben abgenommen und waren dadurch dünnhäutiger und gereizter als sonst. Melisse ist eine beeindruckende Pflanze: Tritt man versehentlich auf sie, richtet sie sich gleich wieder auf. Dieses Bild steht sinnbildlich für ein starkes Nervenkostüm.

Gibt es eine Tinktur oder Salbe, die du jedem für die Stallapotheke empfehlen würdest? Wie kann diese selber hergestellt werden?

Bei kleineren Verletzungen empfehle ich gerne Malve als Waschung, das ist eine gute Ergänzung zur klassischen Wunddesinfektion. Mit Malve kann man ganz einfach selber eine Tinktur (Alkoholauszug) herstellen. Dazu einfach frische Malvenblüten pflücken, mit einem Küchenmesser fein hacken und in ein Glas geben. Anschliessend mit einem hochprozentigen Alkohol (mind. 40 %) auffüllen und ca. 4 Wochen ziehen lassen, währenddessen das Glas regelmässig schütteln. Nach 4 Wochen können die Kräuter abgesiebt werden. Die fertige Tinktur ist ca. 2 Jahre haltbar und kann mit Wasser verdünnt als Waschung verwendet werden.

Eine weitere Empfehlung ist Ringelblume. Sie ist sehr hautfreundlich und kann als Salbe oder Tee verwendet werden. Sie unterstützt die Hautregeneration, ist sehr sanft und hat keine bekannten Nebenwirkungen.

Wann hat der Einsatz von Heilpflanzen seine Grenzen?

Während einer Kortison- oder Antibiotikatherapie sollte man auf eine homöopathische oder phytotherapeutische Behandlung verzichten. Währenddem die Medikamente Symptome bekämpfen, verstärken Heilpflanzen die Symptome kurzfristig womöglich noch, was dann die Wirkung der Medikamente beeinträchtigen kann. In diesem Fall setze ich gerne nach erfolgter Behandlung auf Phytotherapie, um die Selbstheilung wieder zu fördern.

Viele Pferdebesitzer/innen kommen erst, wenn es fast zu spät ist oder wenn der Tierarzt nicht mehr weiterweiss. Mit Phytotherapie kann man bereits kleine Unregelmässigkeiten gut ausgleichen. Es lohnt sich also, frühzeitig die Komplementärmedizin hinzuzuziehen und nicht zu warten, bis eine medikamentöse Behandlung unumgänglich ist. In akuten Notfällen muss immer der Tierarzt gerufen werden. Phytotherapie ist keine Alternativmedizin, sondern eine Komplementärmedizin – eine Ergänzung also. Man darf auch nicht vergessen: Phytotherapie wirkt langsamer. Bei akuten Beschwerden hat man nicht immer Zeit, auf die Wirkung zu warten.

Was möchtest du den Pferdebesitzer/innen noch mitteilen?

Was mir sehr am Herzen liegt, ist die Herkunft der Heilpflanzen. Ich bin überzeugt, dass nur gesunde Pflanzen ihr volles Heilpotential ausschöpfen können. Deshalb setze ich auf nachhaltig und fair angebaute Pflanzen, die kräftig wachsen konnten.

IMG 0403

Interesse geweckt?

Am Tageskurs vom Samstag, 23.08.2025 dreht sich alles um die Wissenschaft der Pflanzenheilkunde. Auf dem Programm stehen Pflanzenkunde, verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bei Equiden sowie das Herstellen von zwei phytotherapeutischen Produkten zum nach Hause nehmen.

Referentin:
Sarah Haas, dipl. Tiertherapeutin, Tierkinesiologin, Osteopathin für Pferde, www.soulisticwork.com

Kursleitung:
Luisa Achermann, LZ Liebegg

> Flyer

> Anmeldung

Autorin

Achermann Luisa

Tierhaltung

Luisa Achermann
062 855 86 09 luisa.achermann@ag.ch
Landwirtschaftliches Zentrum Liebegg
Liebegg 1
5722 Gränichen, CH
062 855 86 55
info@liebegg.ch